Titel: Im Inneren des Monolithen - Weimarer Frühjahrstage für zeitgenössische Musik
Publikation: Thüringer Landeszeitung, 29.04.2010
Das zweite Konzert im Rahmen der Frühjahrstage für zeitgenössische Musik gab das Ensemble Kozmosz im Weimarer mon ami.
Wie der Wind, der sich an den Monolithen einer Steinwüste reibt, tönte die erste der sieben Uraufführungen von der Bühne des mon ami. “Einkehr” hatte der Leipziger Komponist Thomas Christoph Heyde sein 2009 entstandenes Werk betitelt, das das zweite Konzert der Weimarer Frühjahrstage für zeitgenössische Musik eröffnete. Diese beeindruckendste Komposition des Abends war auf das vorzügliche Ensemble Kozmosz zugeschnitten: Heiner Frauendorf am Knopfakkordeon, Susanne Köszeghy an den Blockflöten, Sanja Fister am Schlagwerk und Enikö Ginzery am Cimbalom transferierten das Publikum kurzerhand in ferne, unerhörte Sphären.
Zart und unaufdringlich evozierte Heyde mittels Vibraslap, chinesischen Becken und rückgekoppelten Röhrenglocken fremdartige Klangwelten. Seine sanft prozessierenden und fernöstlich glissandierenden Erregungszustände standen in scharfem Kontrast zum Werk “Prisma”, das der Portugiese João Pedro Oliveira für dasselbe Ensemble erdacht hatte. Hier begegnete der Hörer eben jenen nervösen Schärfen, schrillen Trillern und wilden Trommelprügeleien, die selbst dem tolerantesten Zeitgenossen den Garaus machen.
Zum Glück hatte Johannes K. Hildebrandt mit seinem humorvollen Stück “Drei” die begierig lauschende Hörschnecke schon weit genug aus ihrer Behausung gelockt. Vogelartig flattrig standen Bassflöte und Zymbal im eifrigen Diskurs, den das eifersüchtige Akkordeon harsch abwürgte - nur um dann selbst im Flageolett zu zwitschern. Hildebrandts federleichtes Trio korrespondierte wunderbar mit dem ätherischen Quartett “Ariel Dreaming” des Briten Gwyn Pritchard. Bei den experimentellen “Grüntrüben Ritornellen” von Tobias Klich und Constantin Popp griff Klich dann persönlich zur präparierten Gitarre.
Das “Cairo Diary” von Christian Fischer und Robert Rehnig geriet zum audiovisuellen Kulminationspunkt: Via Internet begegneten hypnotische Kaleidoskope aus Kairo dem elektroakustischen Grundton “G” und der arabischen Sikah-Tonleiter. Wie im Film “2001″ ging die mystische Reise ins Innere des Monolithen.
Jan Kreyßig